Musik und Tanz der Handwerker

In den Bergbaurevieren Tirols waren die Knappen gern gesehene Musikanten. Nach der Aussage Hippolyt Guarinonis 1610 konnten sie "sehr lieblich vnd wol singen, weltlich vnd geistlich Lieder, zu Tisch vnd Tantz".[7] Sie begleiteten mit einem bezahlten "Vorsinger" die Kreuzgänge der Schwazer nach Georgenberg, Vomp, Mariathal und Seefeld. In Georgenberg fanden sie sich nachweislich 1656 zum ersten Mal als Sternsinger ein. Im Stift Wilten brachten sie bis Ende des 18. Jahrhunderts vor dem Konvent klingende Neujahrswünsche dar und erhielten dafür ein "Singgelt". Am Innsbrucker Hof stellten sich die Haller Salzknappen zur Neujahrsgratulation ein. Schwazer "Singerknappen" waren am Hof seit Mitte des 16. Jahrhunderts begehrte Sänger. Erzherzog Ferdinand nahm zwei von ihnen 1570 auf seine Reise nach Prag mit. 1602 mußte der Bergrichter von Schwaz zur Ankunft des Erzherzogs Maximilian III. "vier der besten Schwazer Singer, darunter einen Knaben" nach Innsbruck entsenden. Kaiser Leopold I. schaute am 1. Oktober 1665 in Schwaz "den von den Knappen aufgeführten Tänzen und ländlichen Spielen" zu. Die Erzknappen, die im Jahre 1525 bei einer Hochzeit auf Schloss Sprechenstein "schöne Bergreime" sangen, kamen aus dem nahen Sterzing. Dort führten sie in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts auch Schwerttänze auf. Vom "Sterzinger Bergreihen", dessen ältester Nachweis 1588 zu datieren ist, hat sich die Melodie einer späteren Fassung in der Steiermark überliefert. Noch im 19. Jahrhundert hatten die Bergleute eine eigene Knappenmusik am Schneeberg in Passeier, im 18. Jahrhundert auch in Imst. Bis Anfang des 19. Jahrhunderts bliesen Schwazer Knappen zur Christmette.[8]
In der Saline Hall formierte sich 1821 aus der schon bestehenden Bergmusik eine Werkkapelle, die bei Paraden und Besuchen hoher Herrschaften sich hören ließ. 1838 trat neu die "Pfannhausmusik" als reine Blechharmonie hinzu; sie stellte erst ab 1854 Klarinetten bei, doch nie ein Schlagzeug. Der Haller Bergpraktikant Alois Kaltenbach gründete 1853 in Hall einen Männergesangverein, der zu Gottesdiensten der Saline, zu Bergfesten in Absam und zum jährlichen "Stubenmahl" ausrückte.[9]
Die Bozner Fassbinder führten bereits 1474 einen Reiftanz auf. Bis Anfang des 19. Jahrhunderts wurde er öfter vornehmen Gästen als Schauspiel präsentiert, zum Beispiel 1769 vor Erzherzogin Maria Amalia, der Braut des Großherzogs Ferdinand von Parma, 1790 vor Königin Maria Luise, der Gemahlin Kaiser Leopolds II., 1822 vor Kaiser Franz I. und Zar Alexander I. von Russland.[10] Der Bozner Maler Anton Cusetti (1750-1793) hat den Bindertanz von 1790 auf einem Ölbild dargestellt.[11] Die Tanzmusik ist mit drei Geigen, einem "Bassettl", zwei Hörnern und zwei Querflöten dargestellt. Seitlich postiert stehen, jeweils für sich, fünf Schwegler und eine weitere Musikkapelle. Die Gesellen der Meraner Binder boten an ihrem "Dinzeltag" (4. Mai, später 25. Mai) im 19. Jahrhundert in einer eigens dazu bestimmten Tracht Reiftänze dar.
Die Müller und Bäcker von Meran begingen 1874 ihren "Jahrtag" mit einem "Seel- und Lob-Ambt und dem abend[s] zuvor gesungenen Vigil". Nachmittags fand ein Umzug mit Musik, danach ein Mahl mit Tanz im Gasthaus statt. Im gleichen Jahr trafen sich in Meran die Schuster aus der Umgebung zu Gottesdienst und Umzug mit Musikbegleitung.[12]

Fussnoten

[7] Hippolyt Guarinoni, Die Grewel der Verwüstung Menschlichen Geschlechts, Ingolstadt 1610, S. 189.

[8] Für einen Überblick über die Musik der Bergleute in Tirol siehe Hildegard Herrmann-Schneider, "'Mit lieblichen Stimmen sich lustig hören lassen' - Vom Musizieren der Bergleute in Tirol", in: Silber, Erz und weißes Gold. Bergbau in Tirol [Katalog zur Tiroler Landesausstellung 1990 in Schwaz], Innsbruck 1990, S. 402ff.;
Erich Egg, "Das kirchliche Musikleben im alten Schwaz", in: Tiroler Heimatblätter 37 (1962), S. 45f.;
Maurus Kramer OSB, "Zur Musikgeschichte der Benediktinerabtei St. Georgenberg-Fiecht im späten Mittelalter bis zum Barock mit Einschluß der Aigner-Orgel von 1870", in: 850 Jahre Benediktinerabtei St. Georgenberg-Fiecht 1138-1988 (= Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktiner-Ordens und seiner Zweige 31), St. Ottilien 1988, S. 302;
Hildegard Herrmann-Schneider, "Vom Musikleben im Stift Wilten", in: Kirchenmusikalisches Jahrbuch 72 (1988), S. 77f.;
Walter Senn, "Pfarrschule und Kirchenchor. Die Musikkapelle des Damenstiftes", in: Haller Buch (= Schlern-Schriften 106), Innsbruck 1953, S. 439;
Walter Senn, Musik und Theater am Hof zu Innsbruck, Innsbruck 1954, S. 177;
Walter Senn, "Innsbrucker Hofmusik", in: Österreichische Musikzeitschrift 25 (1970), S. 662;
Walter Senn, "Volkslieder in Tirol bis zum 17. Jahrhundert", in: Innsbrucker Beiträge zur Kulturwissenschaft 3 (1955), S. 187, 193;
Anton Dörrer, "Tirol in Sterzing [!] Volkskultur und Persönlichkeitsbilder" (= Vorabdruck aus Schlern-Schriften 232), Innsbruck 1964, S. 14, 32;
Richard Wolfram, Schwerttanz und Männerbund, Kassel 1936, S. 44;
Ludwig Schönach, "Beitrag zur Geschichte der Meistersinger in Schwaz", in: Forschungen und Mitteilungen zur Geschichte Tirols und Vorarlbergs 2 (1905), Heft 1, S. 73;
Franz Carl Zoller, Geschichte und Denkwürdigkeiten der Stadt Innsbruck und der umliegenden Gegend 2, Innsbruck 1825, S. 3;
Adam Wolf, Lucas Geizkofler und seine Selbstbiographie. 1550-1620, Wien 1873, S. 16;
Konrad Fischnaler, "Die Volksschauspiele zu Sterzing im XV. und XVI. Jahrhundert", in: Zeitschrift des Ferdinandeums für Tirol und Vorarlberg 3. Folge, 38. Heft (1894), S. 373;
Anton Dörrer, "Hundert Innsbrucker Notendrucke aus dem Barock. Ein Beitrag zur Geschichte der Musik und des Theaters in Tirol", in: Gutenberg-Jahrbuch 14 (1939), S. 267;
Hans Kramer, "Beiträge zu einer Chronik von Sterzing und Umgebung 1814 bis 1914", in: Veröffentlichungen des Museum Ferdinandeum 31 (1951), S. 471;
Otto Haudek, "140 Jahre 'Bürgerkapelle Ehrwald'", in: Festschrift 140 Jahre Bürgerkapelle Ehrwald, Ehrwald 1948, S. 9;
Erich Egg, "Schwaz vom Anfang bis 1850", in: Stadtbuch Schwaz. Natur-Bergbau-Geschichte, hrsg. v. Erich Egg [u.a.], Schwaz 1986, S. 146, 203;
vgl. Gerhard Heilfurth, Bergbaukultur in Südtirol, Bozen 1984, S. 248ff.;
Florian Pichler, Südtirol in alten Lichtbildern, Bozen 1979, o.p.

[9] Hermann Egger, Die Entwicklung der Blasmusik in Tirol, Diss. masch. Innsbruck 1952, S. 32f., 95f.;
Karl Leipert, Hundert Jahre Tiroler Sängerbund 1860-1960 (= Schlern-Schriften 211), Innsbruck 1960, S. 74.

[10] Anton Dörrer, Bozner Bürgerspiele. Alpendeutsche Prang- und Kranzfeste I (= Bibliothek des Literarischen Vereins in Stuttgart 291), Leipzig 1941, S. 102;
Gustav Gugitz, "Eine unbekannte Reiftanzaufführung im alten Wien", in: Jahrbuch des österreichischen Volksliedwerkes 3 (1954), S. 86, 88f.;
Tiroler Tageszeitung vom 3. April 1987, S. 5.

[11] Original im Stadtmuseum Bozen, Inv.-Nr. .

[12] O. von Reinsberg-Düringsfeld, Culturhistorische Studien aus Meran, Leipzig 1874, S. 122f., 127, 146.