Musik in städtischen Schulen und an der Universität

In Schwaz entstand vor 1532 die erste Meistersingerschule Österreichs. Diese Gründung war vermutlich begünstigt durch die Herkunft vieler Erzknappen aus den Zentren des Meistergesangs, Franken und Schwaben und die Verbindung Nürnberger Kupferhändler mit der Knappenstadt. Der Schwazer Hans Probst hatte schon 1508 ein Lied vom Romzug Kaiser Maximilians nach Meistersingerart gedichtet. 1513 erreichte Hans SachsSchwaz auf seiner Wanderung durch Tirol, von einer Beziehung des Poeten zu einer damaligen Schwazer Meistersingerschule ist jedoch nichts bekannt. Ein Ansuchen der Schwazer Meistersinger 1532 in Innsbruck um die Erlaubnis zu öffentlichem Singen beantwortete König Ferdinand von Regensburg aus mit dem Befehl, dass "solch Singen [...] abgestelt werden solle". Auf eine neuerliche Anfrage 1536 wurde ihnen nun gestattet,"an den Feyrtägen erberlich, beschaidenlich und niemand zu nachtail, auch nichts Lutterisch, sonnder was zu der Eer Gottes raichen[d] und dienen[d]" sei, vorzutragen.[13] Die Zusammenkünfte fanden im Gerichtshaus statt. Dort wurde ein Meistersingersaal um die Mitte des 16. Jahrhunderts mit Fresken, die unter anderem Gestalten aus Meistergesängen mit Bezug auf Lehrgedichte von Hans Sachs zeigten, ausgestattet. Um 1600 dürfte der Meistergesang in Schwaz verstummt sein. Der Meistersingersaal wurde erst 1944 im Krieg zerstört.
Die "Wiltener Handschrift deutscher Meistersinger" mit 160 geistlichen und weltlichen Gedichten Heinrichs von Meißen ("Frauenlob"), Barthel Regenbogens, Heinrichs von Mügeln und vielen anderen, dazu verbalen Hinweisen auf die zu verwendenden, damals allgemein bekannten Melodien, könnte um 1500 für eine Singschule angelegt und möglicherweise auch in Schwaz gebraucht worden sein. Zumindest seit 1594 im Besitz des Freiherrn Christoph von Wolkenstein auf Schloss Rodeneck, gelangte sie nach 1860 aus der nachgelassenen Büchersammlung des Wiltener Bürgers Johann Kerer in die Bayerische Staatsbibliothek München (Signatur Cgm 5198).[14]
Im 16. Jahrhundert lernten die Kinder auch an städtischen Schulen das Singen für den Kirchenchor. Der Magistrat von Bruneck bestellte 1592 den Innsbrucker Kantor Zacharias Reich als Lehrer der Stadtschule und verpflichtete ihn zum Choralgesang in der Kirche sowie zum Choralunterricht der Kinder.[15] In der Stadtschule Sterzing waren die Buben einer drakonischen Zucht unterworfen. Schon bei einer Missachtung des Fastengebots hat man sie, obgleich sie von der Schule ohnehin nur morgens eine Wassersuppe mit Brot bekamen, im Beisein von Kaplan und Schulmeister gefesselt und "über sie das Salve Regina gesungen, auf daß, so lang man sie mit Rueten hauete und peinigte, man ihr Weinen, Heulen und Schreyen wegen der Schüeler lautem und stetem Gesang gegen die Gassen nit hören möchte".[16]
In Bruneck galt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Musik den Schülern als Belobigung. Zum Schulschluss wurden die besten Schüler in der Pfarrkirche mit einem Buchpreis bedacht; bei der Überreichung erklang von Trompeten, Pauken, Posaunen und der Orgel mit vollen Registern ein gewaltiger Tusch. Kaiserin Maria Theresia hatte 1775 in Innsbruck ein "Collegium Nobilium" eröffnen lassen, dessen Alumnen öffentliche Schulen besuchten, jedoch im Konvikt zusätzlich Sprachen und unter anderem Tanzen lernten. Unter bayerischer Landeshoheit bestanden von 1807 bis 1809 Mittelschulen in Innsbruck, Brixen, Trient und Meran, an denen eigene Musiklehrer bestellt waren. Am Gymnasium zu Meran trat im Jahre 1813 ein Musiklehrer seinen Dienst an.[17]
Zu Anfang des 19. Jahrhunderts gab es in Tirol bereits mehrere Musikschulen; Bedeutung erlangte jedoch erst diejenige des 1818 gegründeten InnsbruckerMusikvereins. In Kufstein gründete der Chorregent und Stadtschreiber MatthiasPernsteiner (1795-1851) im Jahre 1846 eine Musikschule. In Bozen eröffnete eine solche 1856, in Rovereto 1908. 1907 errichtete der Musikdirektor und Lehrer JosephusWeber (1878-1968) in Schwaz eine Musikschule. Die Bäcker- und Musikantenfamilie Wessiack führte ab 1908/09 in Steinach am Brenner eine private musikalische Bildungsstätte.[18]
Musik spielte eine bedeutsame Rolle an der Universität Innsbruck. Dort lehrte nicht nur von 1676 bis 1810 ein Tanzmeister, sondern es ertönten oft, vor allem zu akademischen Feiern, festliche Klänge. Trompeten- und Paukenschall begleitete den Einzug der Kandidaten bei Promotionen und Sponsionen. Lange war hier den Hofmusikern das Privileg des Aufspielens zu Eigen; sie erhoben heftigen Protest, als im Jahre 1712 Studenten bei einer Promotion selbst musizierten.[19] Anläßlich der Geburt des Erzherzogs Leopold nahmen am 19. April 1716 um die vierhundert Akademiker an einem "feierlichen Aufzug mit Musik" teil. Im Mai 1739 wohnten Erzherzogin Maria Theresia, ihr Gemahl Großherzog Franz und dessen Bruder Prinz Carl von Lothringen "einer von den Akademikern aller vier Fakultäten gegebenen vortrefflichen Musik bey". Erzherzog Johann wurde am 24. November 1800 "auf dem großen Universitätssaale [...] zum perpetuirlichen Rector Magnificus [...] unter dem Schalle der Trompeten und Pauken auf das Feyerlichste proclamirt". Dem Zug der Honoratioren von der Universität in die Universitätskirche am 30. April 1826 zur Feier der Restauration der Universität bildete das "bürgerliche Scharfschützen-Corps unter dem Oberschützenmeister Grafen Trapp Spaliere und liess die türkische Musik spielen".[20] Im Jahre 1799 brachte die "Filharmonische Gesellschaft" an der Universität Antonio Salieris Kantate "Der Tyroler Landsturm" zur Aufführung. Seit 1857 trafen sich Studenten an der Universität zum Chorsingen; 1863 gründeten sie offiziell einen Akademischen Gesangverein, den zeitweise Josef Pembaur der Ältere (1848-1923) und dessen Schüler Karl Senn (1878-1964) dirigierten.[21]




















Fussnoten

[13] Zitiert nach Konrad Fischnaler, "Die Meistersinger in Schwaz", in: Ausgewählte Schriften. Geschichts-, Kultur- und Naturbilder aus Alttirol von Konrad Fischnaler, Innsbruck o.J., S. 122, 124f.



















[14]
Konrad Fischnaler, "Die Meistersinger in Schwaz", in: Zeitschrift des Ferdinandeums für Tirol und Vorarlberg 3. Folge, 46. Heft (1902), S. 301ff.;
Bruno Wind, "Die ersten Meistersinger Österreichs - in Tirol", in: Österreichische Musikzeitschrift 25 (1970), S. 672ff.;
Erich Egg, "Die Meistersinger von Schwaz", in: Schwazer Buch (= Schlern-Schriften 85), Innsbruck 1951, S. 212ff.;
Erich Egg, "Schwaz vom Anfang bis 1850", in: Stadtbuch Schwaz. Natur-Bergbau-Geschichte, hrsg. v. Erich Egg [u.a.], Schwaz 1986, S. 145;
Walter Senn, "Musik in Tirol. Älteste Nachrichten - Heldenlieder - Minnesänger - Spielleute", in: Erläuterungen zur Kulturkarte von Tirol. Historische Stätten und Kulturdenkmale, hrsg. v. Ernest Troger, Wien [1967], S. 24;
Berthold Müller-Keppel, "Hans Sachs in Tirol", in: Tiroler Heimatblätter 3 (1925) Heft 7, S. 9;
Joseph Garber, "Der Meistersingersaal in Schwaz", in: Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst, Neue Folge 6 (1929), S. 290 ff.;
Konrad Fischnaler, Innsbrucker Chronik 3, Innsbruck 1930, S. 8, 10;
Anton Dörrer, "Vom Meistergesang bis zum Rokokosingspiel der Mühlbacher", in: Der Schlern 34 (1960), S. 157f.

[15] Josef Hirn, Erzherzog Ferdinand II. von Tirol. Geschichte seiner Regierung und seiner Länder 1, Innsbruck 1885, S. 324.

[16] Zitiert nach Adam Wolf, Lucas Geizkofler und seine Selbstbiographie. 1550-1620, Wien 1873, S. 25f.;
Manfred Linsbauer, "Lukas Geizkofler und seine Selbstbiographie", in: Veröffentlichungen des Tiroler Landesmuseum[s] Ferdinandeum 60 (1980), S. 46ff.

[17] Pauline und Karl Meusburger, "Aus dem alten Bruneck. (Ungefähr 1830-1870)", in: Der Schlern 4 (1923), S. 37;
Jakob Probst, Beitäge zur Geschichte der Gymnasien in Tirol, Innsbruck 1858, S. 57f., 82f., 135.

[18] Philipp Mayer, "Musik und Volksmusik in Tirol und Vorarlberg", in: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild, Band Tirol und Vorarlberg, Wien 1893, S. 379;
Eduard Lippott, "Kufsteiner Chronik (788-1918)", in: Kufsteiner Buch, hrsg. v. Franz Biasi (= Schlern-Schriften 157/2), Innsbruck 1958, S. 46;
Johanna Blum, "Bozen als Musikstadt", in: Jahrbuch des Südtiroler Kulturinstitutes 8 (1973), S. 411, 432f.;
Clemente Lunelli, "Rovereto", in: Dizionario Enciclopedico Universale della Musica e dei Musicisti, vol. 4, Torino 1984, S. 169;
Hans Sternad, "Aus der Geschichte 1850 bis 1980", in: Stadtbuch Schwaz. Natur-Bergbau-Geschichte, hrsg. v. Erich Egg [u.a.], Schwaz 1986, S. 314;
Hans Kramer, "Beiträge zur Kultur- und Wirtschaftsgeschichte von Steinach (im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts)", in: Veröffentlichungen des Tiroler Landesmuseum[s] Ferdinandeum 54 (1974), S. 159.

[19] Jakob Probst, Geschichte der Universität in Innsbruck seit ihrer Entstehung bis zum Jahre 1860, Innsbruck 1869, S. 7, 12, 27, 57, 67;
Monika Fink, "Der akademische Tanzmeister unter besonderer Berücksichtigung seiner Tätigkeit an der Universität Innsbruck", in: Tiroler Heimat. Jahrbuch für Geschichte und Volkskunde 58 (1994), S. 102ff.;

[20] Jakob Probst, Geschichte der Universität in Innsbruck seit ihrer Entstehung bis zum Jahre 1860, Innsbruck 1869, S. 100f., 143f., 329f.;
Franz Carl Zoller, Geschichte und Denkwürdigkeiten der Stadt Innsbruck und der umliegenden Gegend 2, Innsbruck 1825, S. 103, 377.

[21] Ernst Knoflach, "Von Gänsbacher bis Pembaur", in: Österreichische Musikzeitschrift 25 (1970), S. 699;
Karl Leipert, Hundert Jahre Tiroler Sängerbund 1860-1960 (= Schlern-Schriften 211), Innsbruck 1960, S. 81;
Walter Senn, Karl Senn (1878-1964). Aus dem Leben und Schaffen. Werkverzeichnis, Innsbruck 1978, S. 8f.