Musik an den fürstbischöflichen Höfen zu Brixen und Trient

Dem Hofstaat der Fürstbischöfe von Brixen und Trient gehörten auch Musiker an. Einige der Bischöfe waren selbst musikkundig: Bischof Paulinus Mayr von Brixen ( 1685) war in Wien zum Organisten ausgebildet worden, Bischof Johann VII. Platzgummer (ca.1565-1647) soll selbst komponiert haben.[28] Er war als Singknabe in Brixen unter Domorganist Andreas Andre vulgo Casletanus ( 1592) aufgewachsen und studierte in Wien und Rom, beides bedeutende Musikzentren, Theologie. Im Jahre 1609 schrieb er in Brixen, noch als Kanonikus, für das fürstbischöfliche Seminar "Domini Andreae", also seines Förderers Bischof Christoph IV. Andreas von Spaur ( 1613), ein "Mariale" mit lateinischen vier- bis zehnstimmigen marianischen Gesängen, Litaneien, Hymnen u.a.[29] Bislang wurde er aufgrund dieses "Mariale" als Komponist angesehen. Da er im Titel aber ausdrücklich formuliert: "Mariale [...] scriptum et [e]d[i]tum a Io[anne] Plazgumero", ferner auf Folio 81 einen Vermerk anbringt: "Ad laudem et gloriam Dei [...] scripsit. Joannes Plazgumer [...]", dürfte er eher der Kompilator der Handschrift sein, nicht primär der Komponist der enthaltenen Werke. Als Bischof widmete ihm einer der bedeutendsten Tiroler Komponisten des 17. Jahrhunderts, der aus der Stadt oder Umgebung von Brixen gebürtige Christoph Sätzl (1592/93-1655) seine Motettensammlung "Certamen Musicum" (Innsbruck: Michael Wagner 1641). Sätzl wirkte von ca.1619 bis 1632 als Kapellmeister am Brixner Dom und widmete während dieser Zeit Fürstbischof Karl I. von Österreich seine Motettensammlung "Ecclesiastici Concentus" (Innsbruck: Daniel Paur 1621) sowie Fürstbischof Daniel Zen einen weiteren Motettenzyklus "Hortus Pensilis" (Innsbruck: Johann Gäch 1628).[30]
Kardinal Andreas von Österreich ( 1600) hatte sich Jan Le Febure ( ca.1612) zu seinem "Maestro di capella" erwählt und eine stattliche Musikaliensammlung angelegt. Verbindungen bestanden z.B. zur Innsbrucker Hofkapelle: Geistliche Werke von deren Kapellmeister Johann Stadlmayr gehörten Anfang des 17. Jahrhunderts zum Repertoire in Brixen.[31]
Die bischöflichen Musiker wurden nicht nur für die Kirchenmusik herangezogen, sondern mussten auch bei Hoffesten aufspielen. Um 1700 wohnten die Brixner Bischöfe in ihrem Hoftheater Opernaufführungen bei.[32] Unter diesen in der Literatur mit "Opernaufführungen" bezeichneten Darbietungen waren nicht zuletzt Spiele mit Musikeinlagen im Stil des Jesuitentheaters. Wo das "Hochfürstliche Brixnerische Hoftheater" sich befand, ist heute nicht mehr eindeutig festzulegen. Angenommen wird für das 18. Jahrhundert ein zweigeschossiger Saal im Osttrakt der bischöflichen Burg.[33] Das Personal der "Hoff- und Thumb Music" (Hof- und Dommusik) zu Brixen bestand zum Beispiel im Jahr 1742 aus dem Kapellmeister Leopold Strach (1699-1755), dem Organisten Franz Josef Hopfgartner, dem "vorgewesten" Organisten JosefVonclausner, einem Diskantisten, zwei Altisten, zwei Tenoristen (von denen einer auch Pauke spielte), einem Bassisten und den "Capell Knaben", ferner zwei Violinisten (von denen einer auch Violoncello spielte), einem "Paß-Geiger" und einem "Violon-Geiger", zwei Trompetern (von denen einer auch Hofgärtner und Tafeldiener war), einem "Musicus" sowie Mathias Andreas Penz, der ohne nähere Funktionsbezeichnung für musikalische Dienste entlohnt wurde.[34]
Bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts sollen bei Hofbällen "die Domherren in zierlichem Menuett ihre Gelenkigkeit" gezeigt haben, was jedoch ebenso wie die bischöfliche Bühne und alle "früheren Galanterien" Fürstbischof Vinzenz Gasser ( 1879) unerbittlich ablehnte.[35]
Die Fürstbischöfe von Trient hielten sich, je nach ihrer mehr oder minder ausgeprägten Vorliebe für die Tonkunst, ebenso Musiker. In Trient wird erstmals im Jahr 1429 ein Musiker namentlich erwähnt; er hieß Christoph und war Pfeifer des Fürstbischofs.[36] Ab Mitte des 15. Jahrhunderts stand dort eine "trummetterey" im Dienst.[37] Die Festivitäten zur Inthronisation des Kardinals Bernhard von Cles in Trient 1514 waren von Musik und Tanz begleitet. Sein Hofnarr Ser Paolo wurde 1535 mit einem Dudelsack abgebildet; vermutlich bot er seinem Herrn mit dem Spiel auf diesem Instrument Kurzweil.[38] Kardinal-Fürstbischof Christoph III. von Madruzzo war ein leidenschaftlicher Musikfreund. Schon zu seiner Inthronisation 1542 erklang prachtvolle Musik, u.a. eine eigens zu diesem Anlass von Cipriano de Rore komponierte Motette. Madruzzos Musiker kamen von der Hofkapelle des Herzogs von Ferrara und waren auch an anderen Höfen begehrt. Seine Regentschaft und die Musik an seiner Hofhaltung sind eng sowohl mit seiner Residenzstadt Trient wie mit dem von ihm administrierten Brixen verbunden. Überzeugt nannte sich Madruzzos angesehener Kapellmeister Giovanni Contino (ca.1513-1574), bei ihm in Diensten von 1539 bis 1551, "Capellae Brixi[n]ensis Magister".[39] Vokal- und Instrumentalmusik, auch mit Tanz, erklang bei Festen für die Gäste. Contino lieferte manches der am Hof benötigten neuen Musikstücke, nicht zuletzt für die Aufführungen anläßlich des Konzils von Trient, bei dem sich Musiker des Kardinals zeitweise mit der päpstlichen Kapelle zu einem Klangkörper vereinigten.[40] Im Jahre 1574 empfahl Madruzzo seinen Musiker Thomas Seyringer an Herzog Wilhelm V. in Landshut.[41] Kurfürst Moritz von Sachsen war von der Musik am fürstbischöflichen Hof zu Trient so angetan, dass er sich von Madruzzo die Überlassung von sechs seiner Instrumentisten erbat. Unter diesen begab sich Antonio Scandello (1517-1580) mit nach Dresden und wurde dort 1568 Kapellmeister.[42] Zur Inthronisation des Fürstbischofs Peter Vigil Graf Thun in Trient 1776 erklang u.a. die Kantate "Gli Orti Esperidi" auf einen Text von Pietro Metastasio, vertont vermutlich von Gennaro Astarita (1749-1803) der 1778 und 1782 in Brixen bzw. Sacco bei Rovereto als Opernkomponist in Erscheinung trat.[43]




Fussnote

[28] Lambert Streiter, "Die Pflege der Musik in Südtirol", in: Süd-Tirol. Land und Leute vom Brenner bis zur Salurner Klause, hrsg. v. Karl von Grabmayr, Berlin 1919, S. 177.

[29] Faksimile aus der Handschrift siehe bei 
Ernst Knapp, Kirchenmusik Südtirols. Ergänzungsband, Brixen 1997, S.112ff.;
zu Platzgummer vgl. auch Ernst Knapp, Kirchenmusik Südtirols, Bozen 1993, S. 64f.














[30] Heidrun Bermoser, "Christoph Sätzl. Ein Tiroler Komponist des 17. Jahrhunderts. Biographie und Werkverzeichnis", in: Kirchenmusikalisches Jahrbuch 57 (1973), S. 57ff.; 

[31] Hildegard Herrmann-Schneider, "Musik, wie sie im 17. Jahrhundert in Brixen erklang: Werke von Christoph Sätzl (1592/93-1655) und Johann Stadlmayr (ca.1575-1648)", in: 1100 Jahre Brixen - 600 Jahre Cusanus [Programm zum Kongress] Brixen 11.-14.Oktober 2001, hrsg. v. der Brixner Initiative Musik und Kirche und der Cusanus Akademie, Brixen 2001, o.p.

[32] Lambert Streiter, "Die Pflege der Musik in Südtirol", in: Süd-Tirol. Land und Leute vom Brenner bis zur Salurner Klause, hrsg. v. Karl von Grabmayr, Berlin 1919, S. 175ff;
Anton Dörrer, "Hundert Innsbrucker Notendrucke aus dem Barock. Ein Beitrag zur Geschichte der Musik und des Theaters in Tirol", in: Gutenberg-Jahrbuch 14 (1939), S. 255; 
Bruno Mahlknecht, "Kleine Musikgeschichte Südtirols", in: Südtiroler Sängerbund. Festschrift zum VIII. Bundessingen, Bozen 1969, S. 97;
Philipp Mayer, "Musik und Volksmusik in Tirol und Vorarlberg", in: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild, Band Tirol und Vorarlberg, Wien 1893, S. 379;
Anonymus, "Das musikalische Leben in Brixen vor 1862", in: 50 Jahre des Männergesangvereins Brixen, Südtirol, Brixen [ca.1912], S. 1.

[33] Karl Mutschlechner, Das Jesuitentheater in Brixen im 18. Jahrhundert, Tesi di laurea Università degli Studi di Padova, Facoltà di Lettere e Filosofia, Padova 1975/76, S. 211. 

[34] Namensliste der Musiker (nach den Kammergutsrechnungen im Diözesanarchiv Brixen) bei Karl Mutschlechner, Das Jesuitentheater in Brixen im 18. Jahrhundert, Tesi di laurea Università degli Studi di Padova, Facoltà di Lettere e Filosofia, Padova 1975/76, S. 193f. 

[35] Ludwig Steub, Lyrische Reisen, Stuttgart 1878, S. 240.

[36] Clemente Lunelli, "Trento", in: Dizionario Enciclopedico universale della musica e die musicisti 4, Torino 1984, S. 581.

[37] Walter Salmen, "Höfische Kultur im Hoch- und Spätmittelalter", in: Musikgeschichte Österreichs 1, hrsg. v. Rudolf Flotzinger und Gernot Gruber, Graz [u.a.] 1977, S. 123.

[38] Fortunat Demattio, "Volkslied, Volksschauspiel und Theater der Romanen in Tirol", in: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild, Band Tirol und Vorarlberg, Wien 1893, S. 336f.;
Renato Lunelli, Strumenti musicali nel Trentino, Trento 1968, S. 17.

[39] Hildegard Herrmann-Schneider, "Zur Musikaliensammlung im Domkapitelarchiv Brixen", in: Der Schlern 75 (2001), S. 942. - 
Vgl. Romano Vettori, "Note storiche sul patronato musicale di Cristoforo Madruzzo Cardinale di Trento (1512-1578)", in: Rivista Italiana di Musicologia 20 (1985), S. 3ff.; 
Romano Vettori, "Mottetti politici alla corte di Cristoforo Madruzzo (1512-1578)", in: Quadrivium 30 (1989), S. 5ff.; 
Romano Vettori, "Musiche per i Principi Vescovi: la corte dei Clesio e die Madruzzo", in: Musica e società nella storia trentina, hrsg. v. Rossana Dalmonte, Trento 1994, S. 241ff.

[40] Romano Vettori, "La musica del Rinascimento", in: Dalla Polifonia al Classicismo. Il Trentino nella musica, Trento 1981, S. 65ff.; 
Mario Levri OFM, "La Cappella musicale del Madruzzo e i cantori del Concilio", in: Il Concilio di Trento 2 (1943), S. 394f.; 
Renato Lunelli, "Musiche del sec. XVII per strumenti ad arco in manoscritti scoperti a Bressanone", in:Archivio per l'Alto Adige 38 (1943), S. 379f.

[41] Peter Liebenrain, "Streiflichter zur Musik- und Theatergeschichte Tirols", in: Tiroler Heimatblätter 36 (1961), S. 90.

[42] Alfred Einstein, "Italienische Musik und italienische Musiker am Kaiserhof und an den erzherzoglichen Höfen in Innsbruck und Graz", in: Studien zur Musikwissenschaft 21 (1934), S. 34.

[43] Clemente Lunelli, "Le ultime composizioni e la morte del musicista Gennaro Astarita", in: Civis studi e testi3 (1979), S. 3.