Tiroler Landesfürst verehrte göttlichen Orlando

Erzherzog Ferdinand II. von Tirol, ein erlesener Kunstkenner und Musikmäzen, erbat sich 1564 bei Herzog Albrecht V. von Bayern von dessen fürnemben und berüembten Componisten Orlando di Lasso zwey oder drey gueter compositiones missae. Es war dem Tiroler Landesfürsten ein Anliegen, dass an seinem Hof die vortrefflichste Musik der Zeit erklang. Versiert suchte er sie in den Werken des aus den Niederlanden gebürtigen ruhmreichen Münchner Hofkapellmeisters, den die Franzosen göttlichen Orlando nannten.

Orlando di Lasso (1530/32-1594) im Jahre 1558, Porträt von Hans Mielich (?) im Sybillen-Codex (Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Hs. 18744)

Lasso war im 16. Jahrhundert in Tirol mit seinen Kompositionen nicht nur an Musikzentren in Innsbruck, Hall, Brixen oder Trient präsent. Schon 1565 konnte man Sänger des Pfarrchores in Sterzing mit Orlandischen ... Stückhen so guett sys khondt hören. Münchens Musikverleger Adam Berg sandte 1574 Erzherzog Ferdinand die ersten beiden Bände der bei ihm erschienenen Prachtausgabe Patrocinium musices mit Motetten und Messen von Lasso. Lassos Söhne Ferdinand und Rudolf korrespondierten 1605 mit dem Stadtmagistrat Hall und dem Domkapitel Brixen über den Erwerb der von ihnen 1604 edierten Motetten ihres Vaters. Musikalieninventare aus Innsbruck und Hall verzeichnen im 17. Jahrhundert immer noch auffallend viele Werke Lassos, sein Porträt zierte seit 1646 die Innsbrucker Hofburg. Dies verweist auf die weiterhin andauernde Wertschätzung des Künstlers in Tirol.

Von Bayern aus fand sich Lasso öfters selbst in Tirol ein. Bei seinen Aufenthalten in Innsbruck muss er Erzherzog Ferdinand längst persönlich bekannt gewesen sein, denn Ferdinand hatte 1568 in München während der Hochzeitsfestlichkeiten des bayrischen Thronfolgers Herzog Wilhelm mit Renata von Lothringen die prunkvollen Darbietungen der Münchner Hofkapelle miterlebt. Lasso kam im Gefolge Herzog Wilhelms V. 1582 an den Innsbrucker Hof, ein weiteres Mal 1584 zum Tauffest von Erzherzog Ferdinands Tochter Maria. Er respektierte den Innsbrucker Hofkapellmeister Jakob Regnart, als trefflichen Kerl in summa guten Musicus und knüpfte vielleicht erste Bande zwischen diesem und seiner Nichte Anna, die schließlich Regnarts Gattin wurde.

1574 reiste Lasso nach Italien, um Musiker für den Münchner Hof anzuwerben. Er machte sich am 8. Februar von Landshut aus auf den Weg und berichtete in Briefen an Herzog Wilhelm über den Reiseverlauf, so am 12. Februar aus Rotholz: Heute haben wir noch vier Meilen bis Innsbruck Morgen hoffen wir in Hall zu sein. Am 16. Februar, zwei Meilen vor Brixen: Wir reiten bis zu dem Ort, der Klausen heißt zur Herberge, wo ich jede Nacht einen guten Trunk umgehen lasse. Am 20. Februar: . in Trient angekommen, wo wir wegen der Pferde und Esel einen Tag ausruhen wollen.

Im März 1574 gelangte Lasso in Rom mit Tiroler Hilfe zu einer Papstaudienz; Christoph Madruzzo, Kardinal von Trient, ebnete Unserem besonderen lieben Orlando den Weg. Tiroler Unterstützung für Lasso war auch 1585 gefragt, als er seine letzte Italienreise, eine Wallfahrt nach Loreto, unternahm. Diesmal wählte er die Route über das Karwendelgebirge und sandte vor Zirl am 12. September an Regnart in Innsbruck die Botschaft: Ich hoffe heute abend in Zirl zu sein und morgen in Innsbruck die Messe zu hören. Lassos eigentliches Anliegen in diesem Brief aber war, über die Vermittlung Regnarts von Erzherzog Ferdinand einen Passbrief zur Einreise nach Italien zu erhalten.

1573 und 1578 hielt sich Lasso in Venedig auf. Ich könnte Euch berichten, was ich in Innsbruck erlebt habe, schrieb er am 2. Mai 1578 aus Venedig an Herzog Wilhelm nach Landshut, aber ich stelle alles zurück bis zu meiner Rückkehr. Leider sind wir über seine Tiroler Erlebnisse im einzelnen nicht informiert. Von 1573 und 1567, als Lasso sich nach Ferrara begab, ist sein Aufenthalt in Tirol nicht bekannt, doch der übliche Weg muss ihn durch das Land im Gebirge geführt haben.