Münchens Magier am Flügel kam aus Tirol

Joseph Pembaur (1875-1950) Fotografie (Innsbruck, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Bibliothek)

Josef Pembaur der Ältere, ab 1875 Direktor der Musikschule des Musikvereins seiner Vaterstadt Innsbruck, hatte seine Ausbildung an der Königlichen Musikschule in München bei den Hofkapellmeistern Josef Rheinberger und Franz Wüllner, bei Giuseppe Buonamici und Julius Hey 1873 beendet. Als weitblickender Pädagoge schickte er 1879 seinen Schüler Ludwig Thuille von Innsbruck nach München zu Rheinberger, um ihm so eine künstlerische Entwicklung zu ermöglichen, die bei seinem Verbleiben in Tirol nie dieses gewaltige Ausmaß an pianistischer, kompositorischer und schließlich schulebildender Potenz erreicht hätte.
Thuille unterrichtete bereits zehn Jahre in München, als er 1893 Josef Pembaur den Jüngeren, den frühreifen Sohn seines ehemaligen Lehrers in Innsbruck, als Studenten für Klavier an der Königlichen Musikschule annahm. Rheinberger wurde nun ein drittes Mal im Fach Komposition Professor und Wegweiser für ein Tiroler Musiktalent (neuerdings 1896 für Josefs jüngeren Bruder, Karl Maria Pembaur).
Josef Pembaur d.J. trat zu seiner Abschlussprüfung schon 1896 an. Er meisterte das zweite Klavierkonzert von Franz Liszt mit außergewöhnlicher Bravour, erhielt eine Goldmedaille dafür und kurz darauf eine Anstellung an der Königlichen Musikschule in München als Klavierpädagoge. Wie zuvor Thuille war dem Tiroler Pembaur in München der Beginn einer lebenslangen Karriere geglückt. Von 1901 bis 1921 festigte er sie in Leipzig, perfektionierte hier sein Klavierspiel bei dem Liszt-Schüler Anton Reisenauer, erteilte selbst Unterricht und bereiste als Konzertpianist ganz Europa. Dann kehrte er nach München zurück, führte eine Meisterklasse für Klavier an der Akademie der Tonkunst, gab Konzerte, Meisterkurse, hielt Vorträge über Interpretation und wurde eine vertraute Gestalt des echten Schwabing.

Josef Pembaur (1875-1950) am Klavier Fotografie in Deutsche Zeitung vom 26. April 1950, (München, Stadtarchiv, ZA Personen)

Arrau über Pembaur: Fantastisch

Aus Pembaurs Schule gingen namhafte Pianisten hervor. Weltbekannte Kollegen attestierten ihm eine unbeschreibliche Genialität, vor allem, was seine Liszt-Interpretationen betraf. Pembaur verfügte über die ungeheure Spannkraft, ganze Klavierabende nur mit virtuosen Stücken Liszts zu bestreiten. Er riss das Münchner Publikum in ausverkauften Sälen stets zu Ovationen hin, beeindruckte durch frappante Technik und höchst sensiblen Anschlag, was ihm als selbstverständlich galt, mehr aber noch durch seine intuitive ekstatische Entrücktheit - so ein Münchner Kritiker.
Pembaur waren persönliche Vorlieben in der Programmgestaltung eigen. Er beherrschte das Repertoire von der Vorklassik mit dem Schwerpunkt Romantik bis zur Moderne, widmete sich aber an einem Abend gern demselben Komponisten, nicht nur Liszt, sondern auch Mozart, Beethoven oder Brahms. Er war wiederholt Gastdirigent der Münchner Philharmoniker. In diesen Konzerten stand entweder nur symphonische Musik auf dem Programm oder, heute ungewohnt, im ersten Teil Klavier- und im zweiten Teil symphonische Musik, zum Beispiel 1935 von Beethoven zwei Klaviersonaten, vorgetragen von Pembaur, danach die Coriolan-Ouvertüre und fünfte Symphonie, dirigiert von ihm, in gleicher Weise 1937 von Mozart zu Beginn eine Fantasie und Sonate für Klavier, darauf die Ouvertüren zu Figaro und Zauberflöte sowie die Jupiter-Symphonie. Andere Konzerte in München setzte er unter ein Motto: Fantasien, Rheinberger und seine Schüler oder Weibliche Gestalten in der symphonischen Musik. 1923 stellte Pembaur den Innsbrucker Musikdirektor Emil Schennich in einem Konzert der Musikalischen Akademie dem Münchner Publikum vor: Schennich dirigierte seine Fantasia estatica für Klavier und Streichorchester, Pembaur spielte den Solopart mit gewohnter Meisterschaft. Dirigenten von Weltruhm wie Toscanini, Furtwängler, Knappertsbusch, Nikisch, Strauss oder Pfitzner waren dem Klaviersolisten Pembaur angemessene Partner am Dirigentenpult.
Pembaurs Tod am 12. Oktober 1950 in München bedeutete für die Stadt und die Musikwelt den Verlust eines fulminanten Künstlers. Noch im April jenes Jahres hatte das Ehrenmitglied des Verbandes Münchner Tonkünstler zu seinem 75. Geburtstag mit Liszt-Legenden konzertiert.